Unten im Orchestergraben steht der Dirigent. Ohne den geht es nicht.
Vor dem Dirigenten sitzt das Orchester. Ohne das geht es nicht.
Auf der Bühne stehen die Sänger und ein großer Chor. Ohne die geht es nicht.
Und im Souffleurkasten sitzt der Souffleur und vielleicht gibt es sogar ein Ballett und jemand hat was für die Bühne gebaut und jemand hat Kostüme genäht und jemand hat mit allen geprobt und andere haben mitgeholfen. Ohne die alle geht es nicht. Das sind viele Leute. Alle zusammen sind die Oper.
Und wir jetzt auch. Wir sind jetzt die. Nur weniger.

Für „OPA ÜBT“ nimmt sich das Theaterkollektiv FUX das Theatergenre Oper vor. Zu dritt arbeiten sie sich durch Musik, Libretto, Gesang und Spielweise der Monumentaloper „Lanzelot“ von Paul Dessau und Heiner Müller aus dem Jahr 1969. FUX schickt alle Bestandteile dieses Opus Magnum durch den eigenen Filter und formt sie zu etwas Eigenem um. Der riesige Musiktheaterapparat wird von nur drei Performern gestemmt. Das prunkvolle Opernhaus weicht einer Black Box.

Auf der Suche nach einer alternativen Opernästhetik muss FUX üben: an den Instrumenten, die sie bedienen; an der Technik, die sie zum Einsatz bringen; an ihren Stimmen und Körpern; an der Präsenz; am neuen großen Ganzen. Denn wenn Heiner Müller einmal fand, die Oper könne ein Gefäß der Utopie sein, dann wäre die Frage, wo man dieses Gefäß finden kann und welche Gestalten es annimmt.


Eine Koproduktion mit Treibstoff 2013.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Wolf, der DOMS-Stiftung, der Jubiläumsstiftung der Basellandschaftlichen Kantonalbank, der Scheidegger-Thommen-Stiftung, des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft Gießen, der Hessischen Theaterakademie, des Frankfurt LAB, des Mousonturm Frankfurt und durch Z / Raum für Proben und Forschung Frankfurt.

Mit herzlichem Dank an Anna Sophie Mahler, Stefan Wirth, Thomas Dreißigacker, Gerd Rienäcker, Florian Ziemen, Jacob Bussmann, Christoph Menke, Ingrid Steiner, Heiner Goebbels, Ed Stuhler, Heike Rößler, Johannes Frei, Reto Gabriel, den Treibstoff-Organisatoren sowie der Kaserne Basel.


Presse & Auszeichnungen
Aufführungen
Trailer
Konzept

  • PRESSE & AUSZEICHNUNGEN

    Nominiert als beste deutschsprachige Nachwuchsinszenierung in der „Theater heute“-Kritikerumfrage 2014.


    »Die Treibstoff-Theatertage endeten mit einer künstlerischen Explosion, die nachhallen wird. (…) Die letzte der gezeigten Produktionen war schließlich eine richtiggehende Sensation: ‚Opa übt‘ der Gruppe ‚FUX‘. Die Performer Nele Stuhler, Stephan Dorn und Falk Rössler nehmen es dabei mit Paul Dessaus Oper ‚Lanzelot‘ auf. Allein zu dritt. Sie haben dem Opern-Drachen die prunkvolle Haut abgezogen und das Ungeheuer bis auf die Knochen ausgenommen. (…) FUX hat in einer klugen Produktion eine originäre, anspruchsvolle Theatersprache entwickelt.«

    Basellandschaftliche Zeitung, 10.09.2013


    »Für die Monumentaloper „Lanzelot“ von Paul Dessau und Heiner Müller aus dem Jahr 1969 sind unter normalen Umständen 270 Mitwirkende erforderlich. Auf die naheliegende Frage, ob das Werk auch mit einer kleineren Besetzung aufgeführt werden könnte, gibt das Theaterkollektiv FUX, bestehend aus Stephan Dorn, Falk Rößler und Nele Stuhler, eine nicht ganz so naheliegende Antwort. (…) Es ist eine interessante Idee, in diesem „ambitionierten Opernprojekt“ das Werk so auseinanderzunehmen und wieder neu zusammenzusetzen, dass nur noch das Wesentliche übrig bleibt. Musikalisch sind die drei Performer durchaus beeindruckend – am Anfang spielen sie Saxofon, Keyboard und Schlagzeug, später dann die elektronischen Varianten der Instrumente. Als Sänger kann man sie dagegen eher nicht bezeichnen, aber darum geht es wohl auch nicht. Mit bemerkenswerter Ausdauer arbeiten sich die drei durch das Libretto, zerpflücken es in seine Einzelteile und setzen es wieder neu zusammen. „Üben, das Üben zu üben“ heißt die Devise; und zum Üben gehört auch endloses rhythmisches Zählen in immer neuen Variationen.«

    Süddeutsche Zeitung, 25.11.2015


    »Spätestens wenn zum monotonen Skandieren genauso sinnfreie Gesten und absurde Positionswechsel kommen, wenn Versatzstücke aus dem Text in widersinniger Betonung geschrien, gehechelt und ganz selten andeutungsweise auch gesungen werden, wird aus dem sturen Formwillen eine gewaltige Performance. Dem sozialkritischen Anspruch des DDR-Komponisten Dessau wird der Boden so brutal entzogen. Das hat Ironie und Witz. Und das hat vor allem: archaische Theatergewalt.«

    Basler Zeitung, 07.09.2013


    »Zuweilen gelingt es auch drei Leuten, in einem begrenzten, kahlen Saal etwas Opernstimmung aufkommen zu lassen. (…) Die Gruppe ‚Fux’, die aus Nele Stuhler, Stephan Dorn und Falk Rößler besteht, hat mit ‚Opa übt’ ein etwas gewöhnungsbedürftiges, doch deshalb noch lange nicht uninteressantes Projekt in Form einer Collage aus unterschiedlichsten Musikstilen, Theater und Kleinkunst, Performance und Choreographie zusammengestellt. (…) Dabei bleibt aber auch die Situationskomik nicht auf der Strecke, sehr zum Vergnügen der jungen Zuschauerschar, die den Weg in die Schmidtstraße gefunden hatte. Der Opa jedenfalls existierte nur im Titel.«

    Frankfurter Neue Presse, 14.05.2014


    »Auf den Treibstoff Theatertagen wird an neuen Ästhetiken gefeilt. FUX zeigt mit ‚OPA ÜBT‘ wie. Darin hat das Theaterkollektiv FUX die Oper, derartig durch den Filter ihres drei-köpfigen Ensembles geschickt, dass ein minimalistisches Spiel mit ihrer Musikalität, Choreographie und Zeitlichkeit entsteht, welches durchweg zu überzeugen weiß. (…) Nicht gegen die Götter und das Schicksal, sondern gegen den nichts verzeihenden Perfektionismus richtet sich ihre Bewegung. Dadurch begibt sich das Ensemble in musikalisch-darstellerisch anspruchsvolle Gefilde, in denen es nicht um des Fehlers Willen geht, sondern darum, innerhalb ihrer Intervalle an einer neuen Ästhetik zu üben. (…) Derart räsonieren zwischen den Zahlen stets die eigenen Vorstellungen von dem was Oper war, ist und sein könnte mit. Diese Oper hallt nach.«

    Kritikerplattform der Treibstoff-Theatertage 2013


    »Ob Lanzelot die Menschheit von schlechten Eigenschaften befreien möchte oder Fux den Anspruch auf Läuterung erhebt: Das Utopische schwingt in diesem Abend mit. (…) Eine heldenhafte Leistung.«

    Aargauer Zeitung, 08.09.2013

     

  • AUFFÜHRUNGEN

    05.09.2013 / Treibstoff Theatertage 2013 / Kaserne Basel (Premiere)
    07.09.2013 / Treibstoff Theatertage 2013 / Kaserne Basel
    08.09.2013 / Treibstoff Theatertage 2013 / Kaserne Basel
    11.05.2014 / Frankfurt LAB
    12.05.2014 / Frankfurt LAB
    07.06.2014 / PREMIÈRES Festival / Nationaltheater Straßburg
    08.06.2014 / PREMIÈRES Festival / Nationaltheater Straßburg
    23.11.2015 / Münchner Kammerspiele
    24.11.2015 / Münchner Kammerspiele

  • TRAILER



  • KONZEPT

    „Ich jedenfalls betrachte diese komplexe Großform des Theaters, in der so vielfältige Kunstgattungen wie Musik, Dichtung, Pantomime, Tanz, Gesang, Sprechgesang (wie ihn Arnold Schönberg inaugurierte) einander ergänzend und steigernd ihren Platz finden, als das ausdrucksstärkste Genre, um die großen gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit künstlerisch zu beleuchten.“
    (Paul Dessau)

    Das Format ‚Oper‘ stellte uns vor zwei Fragen:
    1.) Warum ist dieses Genre, das alle Möglichkeiten und Facetten des Theaters in sich aufnehmen und vereinen kann, doch so oft eine herbe Enttäuschung?
    2.) Ist in der Oper eine Verhandlung zeitgenössisch dringlicher Angelegenheiten möglich?

    Kann man also anders Oper machen? Können wir eine andere Oper üben? Und kann die Oper Ausblick auf ein Anderes des Status quo sein? Wie positioniert sich das (postdramatische) Theater heute überhaupt zur gesellschaftlichen Realität, nun, da seine nicht uneitle Fokussierung auf Wahrnehmungsexperimente und auf eine Ästhetik des Bruchs anscheinend nicht mehr hinreicht, um der Gegenwart künstlerisch zu begegnen?

    Oper

    Für „OPA ÜBT“ haben wir es uns in zur Aufgabe gemacht, das Theatergenre Oper als enthierarchisiert arbeitendes Theaterkollektiv der freien Szene zu konfrontieren. Dem opulenten Opernapparat mit mehreren hundert Beteiligten stellen wir ein dreiköpfiges Ensemble gegenüber. Musik, Gesang, Narration und Spielweise werden von uns umgearbeitet und durch den eigenen Filter geschickt. Das prunkvolle Opernhaus mit Stuck, Samtsesseln und Orchestergraben weicht einem blanken, leeren Raum. Das Budget schmilzt auf eine Größenordnung, mit der kein einziger live gespielter Orchesterton möglich wäre.

    Diese personelle, strukturelle, administrative und finanzielle Diskrepanz zwischen der traditionellen Oper und der von uns neu zu entwickelnden Form nimmt uns in die Pflicht und erlaubt uns keine einfachen Lösungen. Wir setzen uns einer radikalen Überforderung aus, müssen Komponisten, Librettisten, Regisseure, Dirigenten, Musiker, Sänger, Performer und Techniker zugleich werden. Die Anforderungen übersteigen unsere Fähigkeiten, sodass wir vieles erlernen und alternative Wege finden müssen. Künstlerische Entwicklungen und ästhetische Strategien, die von der Oper größtenteils ignoriert oder nur verwässert integriert wurden, können unter diesen Bedingungen entschiedener an sie heran getragen werden. Wir eignen uns die Oper an, um aus ihr etwas anderes zu machen als das, was die Aufführungskonventionen üblicher Weise von ihr fordert.

    „Lanzelot“

    Um uns die Oper als Genre vorzuknöpfen, widmen wir uns einem konkreten Werk. Dabei interessiert uns nicht der Klassiker, den man (vermeintlich) kennt und der possierlich und ironisch zum Konsum breiterer Schichten aufgeweicht wird. Die Vielgestaltigkeit der Oper sollte ernst genommen, ihre musikalische Spannweite im Laufe der Geschichte ausgemessen und ein ambitioniertes Libretto als Reibefläche aufgesucht werden. Zudem wollten wir ein Material bearbeiten, das gesellschaftlich und politisch in einem spannungsvollen Kontext steht – hinsichtlich des sozialen Umfelds, in dem das Werk entstand, hinsichtlich der explizit politischen Dimension der Oper selbst und hinsichtlich des Verständnisses, welches die beteiligten Künstler_innen von der politischen Wirksamkeit ihrer Arbeit hatten.

    So fanden wir „Lanzelot“, eine Oper mit der Musik von Paul Dessau und einem Libretto von Heiner Müller & Ginka Tscholakowa, die 1969 zum 20. Jahrestag der DDR geschrieben und in der Staatsoper Berlin-Ost uraufgeführt wurde. Nach weiteren Inszenierungen in München und Dresden verschwand „Lanzelot“ von den Bühnen. Es ist die einzige Oper Dessaus, von der es keine regulär zu erwerbende Aufnahme gibt.

    Paul Dessau ist wohl gerade deshalb eine so interessante Figur, weil er inmitten der Verknüpfung von Tradition, Erneuerung und Politisierung in der Musik eine recht einmalige Stellung einnimmt. In „Lanzelot“ kommen eine ungewöhnliche Vielzahl kompositorischer Mittel zum Einsatz: ein groß besetztes, teilweise mehrfach aufgespaltenes Orchester, mehrere Chöre sowie Tonbandeinspielungen. Dessau ordnet dem zeitlosen Charakter der Vorgänge Musizierformen verschiedenster Jahrhunderte zu und nutzt das gesamte kompositorische Spektrum der neuen Musik. Damit steht er auch in der Tradition linker musikalischer „Episierungsstrategien“ des frühen 20. Jahrhunderts, wie bspw. bei Kurt Weill und Hanns Eisler, führt diese jedoch weiter und schafft es zudem, solche avantgardistische Ansätze bei der rigiden DDR-Kulturpolitik durchzusetzen, die das Stück dann aber doch aus dem Kanon heraus komplimentierte, weil es ihr zu ambivalent geriet.

    Inhaltlich arbeitet „Lanzelot“ mit einem scheinbar klaren Feindbildparadigma. Ausgehend von Jewgeni Schwarz‘ Komödie „Der Drache“ entspinnt sich eine alte Heldensage, in der ein mutiger Heros die Stadt von ihrem Drachen befreit. Doch die Bevölkerung ist sich nicht sicher, ob sie ihren Tyrann überhaupt loswerden will. Sie muss von Lanzelot zuerst dazu erzogen werden. Und eine Befreiung allein macht noch keinen Sozialismus. Der Ausgang der Oper hinterlässt bei aller vordergründig proklamierten Freude Zweifel am errungenen Glück. Die Moral sowie die moralische Ordnung von „Lanzelot“ erweisen sich als verwickelt und vielschichtig.

    Das Ziel aber bleibt ambitioniert und klar: Es geht darum, mit der Oper eine bessere Welt herbeizuführen. Aus heutiger Sicht wirkt die Selbstverständlichkeit mit der Dessau und Müller auch in Interviews und Publikationen um „Lanzelot“ herum die Oper als Mittel zur Veränderung der Gesellschaft beschreiben, wie eine nicht mehr nachvollziehbare Hybris. Genau das aber interessiert uns. Denn wie steht es heute mit diesem emphatisch-politischen Verständnis von Kunst? Kann man, darf man, ja soll man Kunst heute noch in dieser Weise nutzbar machen? Was daran ist anachronistisch geworden? Was an dieser dialektischen Ästhetik kann oder muss gegenwärtig vielleicht eine Renaissance erfahren?

    Üben

    Die Oper „Lanzelot“ zu hören oder zu sehen haben wir uns bis zur Premiere verboten. Uns blieben einzig die Materialien ihrer Niederschrift (Partitur und Libretto) sowie Sekundärliteratur und Dokumentation in Form von Kritiken, Zeitzeugenberichten, Fotografien etc. Da wir zudem anstatt der geforderten 270 Beteiligten nur zu dritt und überdies keine professionellen Musiker oder Sänger sind, fiel die Möglichkeit aus, „Lanzelot“ so, wie es dort beschrieben steht, auf die Bühne zu bringen.

    Auf der Suche nach einer alternativen Opernästhetik mussten wir also üben: an den Instrumenten, die wir bedienen; an der Technik, die wir zum Einsatz bringen; an unseren Stimmen und Körpern; an der Präsenz; am neuen großen Ganzen. Denn wenn Heiner Müller einmal fand, die Oper könne ein Gefäß der Utopie sein, dann wäre die Frage, wo man dieses Gefäß derzeit finden kann und welche Gestalten es annimmt.

    Aus der hochkomplexen musikalischen und textlichen Struktur „Lanzelots“ leiten wir neue Strukturen ab, schichten sie, erweitern sie auf die Ebenen Raum, Licht, szenische Vorgänge, inhaltliche Setzungen, musikalische Gestaltung. Am Ende gibt es keinen Ton und kein Wort des Originals mehr. Alles wurde angeeignet, umgeformt und neu geordnet. Und alles, was während der Aufführung passiert, müssen wir selbst hervorbringen bzw. bedienen können. Das dabei entstehende Zusammenspiel aus Musik, Technik und szenischer Darstellung wird zu komplex, um es fehlerfrei zu beherrschen. Wir haben uns aus „Lanzelot“ ein neues Monstrum geschaffen, das wir in jeder Vorstellung neu versuchen müssen zu bändigen. Sobald ein Fehler passiert, müssen wir anhalten, zurückspringen und ihn in der Wiederholung ausmerzen. Üben bedeutet in „OPA ÜBT“ also nicht nur das Proben einer Aufführung, sondern das Üben in der Aufführung selbst. Jede Vorstellung unterscheidet sich an den Punkten des Scheiterns und Neubeginnens der drei Akteure.

    Schon in „Lanzelot“ wird geübt. Auf der Handlungsebene übt das Volk in mehreren Anläufen die Befreiung vom Totalitarismus und das Aufbauen der klassenlosen Gesellschaft. Der Sozialismus als Staatsform der DDR, in der diese Oper entstand und zu deren Jubiläum sie angefertigt wurde, ist eine Übung des Kommunismus, der noch aussteht. Wir treiben das Üben nun weiter und verlagern es in die theatralen Aktionen auf der Bühne. Wenn mit der klassischen Oper heute nicht mehr glaubwürdig eine Utopie im Als-Ob ausagiert, angesetzt oder in spürbare Aussicht gestellt werden kann, wird zur Frage, wie das Utopische, das Üben einer anderen Gesellschaft, im Theater überhaupt derzeit stattfinden könnte.

    Woran übt diese Gesellschaft? Kann man sich vorstellen, in ihr gemeinsam auf etwas Anderes hin zu üben? Oder sind diese Fragen obsolet geworden und Übung bedeutet mittlerweile schlichtweg Arbeit an sich selbst: neoliberale Selbstoptimierung? Eine andere Oper für die „Freie Szene“ zu suchen, führte uns zu einer Arbeit an eben diesem Bruchpunkt.

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